Kriegskinder  

Kriegskinder. Neue Bilder für ein friedvolles Alter

Die meisten Kinder des Zweiten Weltkrieges in Deutschland haben ihr Leben gemeistert. Sie sind aus den Trümmern gekrochen, haben sich den Staub von den Kleidern geklopft und mit schier unerschöpflicher Leistungsbereitschaft den Wiederaufbau des Landes bewältigt – viele haben Karriere gemacht, Kinder groß gezogen und erhebliche materielle Werte geschaffen.
Das unaussprechliche Leid und die Erfahrungen der Not des Krieges aber hat in vielen Familien den Alltag der Nachkriegszeit bis heute bestimmt. Viele Kinder der Jahrgänge 1930 bis 1945 waren gezwungen, das verschwiegene Wissen mit ihren Eltern stumm zu teilen. Das prägte - auch die Vorstellungen vom eigenen Leben. Unbewusste familiäre Muster wurden so an die eigenen Kinder weitergegeben.

Schrullig oder Normal?
Die Kinder und Enkel der Kriegskinder sind nicht selten genervt von den „Schrulligkeiten“ der Eltern und Großeltern: Der rigorose Umgang mit Nahrungsmitteln, nichts darf weggeworfen werden; gemeinsam verbrachte Zeit vergeht plötzlich zu schnell, so dass aus Abschieden schwermütige Szenen werden. Reisen sind schwierig zu planen – man weiß ja nie, was kommt! Kleine Phobien vor engen Räumen oder unangenehme Gefühle melden sich, wenn Kriegskinder in Menschenansammlungen geraten. Wenn Samstag Mittag die Feuerwehrsirene heult, tauchen plötzlich Erinnerungen auf und bestimmen das Gespräch...
Stimmungsschwankungen, Melancholie, Geruchs-Assoziationen sind noch die leichteren Symptome. Schwerer zu ertragen und kaum ins „normale Leben“ zu integrieren sind immer wiederkehrende Träume von Gewalt, Bombenangriffen, Kampf, Flucht oder Hinterhalt. Wer will das heute noch hören? fragen die Kriegskinder. Und viele finden auch noch immer keine Worte für ihren Schmerz.

Herzschmerz: nur ein medizinisches Problem?
Die Seele hat ihre eigene Dynamik; sie hat kein Zeitempfinden und vergisst nie. So kommen mit fortschreitendem Alter die verdrängten, vergessenen oder bagatellisierten Erlebnisse auch über 60 Jahre später wieder an die Oberfläche und wollen wahrgenommen werden. Fragmente vergessen geglaubter eigener Geschichte tauchen auf und lösen körperliche, psychische und seelische Beschwerden aus.
In Symptomen wie Erstarrung, Herzschmerzen, Atemnot oder dem Gefühl, keine Worte zu finden, erkennt man heute die Spuren von Flucht-Traumata und Kampfreaktionen, die sich ihren Weg über den Körper suchen.
Es ist an der Zeit, dass diese Zusammenhänge bezeugt und für die Öffentlichkeit hörbar gemacht werden. Ärzte, Psychologen, Philosophen, Historiker und Seelsorger beginnen langsam, diese spezifische Traumatisierung umfassender zu verstehen. Dies gilt ja nicht nur für die Kinder des II. Weltkriegs – es gilt für alle Kriegsopfer.

Trauer zulassen – sinnvoll alt werden
Unsere Seminare für Kriegskinder zeigen, wie heilsam es sein kann, Kriegs-Erlebnisse wahrzunehmen, sie anzunehmen und sich zu ihnen zu bekennen. Verständnisvolles Zuhören, ehrliches Sprechen, feinfühliges Schreiben und persönliche Begegnung machen die Öffnung verwundeter Herzen möglich.
Viele Kriegskinder begreifen sich längst nicht mehr als Opfer. Sie möchten durch die Annahme der Vergangenheit endlich ihre Ängste und ihre Traurigkeit überwinden. 
Trauern bedeutet, das versäumte Leben und die Verluste wahrzunehmen, leidvolle Erfahrungen als Teil der eigenen Identität anzunehmen. Trauern heißt, mit dem Schicksal Frieden zu schließen.
Gemeinsames Verstehen und auch gemeinsames Trauern können eingefrorene Gefühle auftauen und Leid fruchtbar machen: Für jeden persönlich, für die eigenen Kinder und Enkel, und vielleicht sogar für die Gestaltung einer lebenswerten Zukunft. Die Lust und der Mut, sich von der Lähmung des Nicht-Verstandenen zu befreien und den nachfolgenden Generationen ein Beispiel zu geben dafür, wie man sinnvoll alt werden kann, ist groß. Nicht wieder sich für andere aufopfern, aber auch nicht nur Wellness und Freizeit frönen, sondern aus vollem Herzen, das endlich Frieden gefunden hat, für andere da sein – das ist eine verlockende Perspektive für die historisch einzigartig große Gruppe der Menschen, die jetzt in unserem Land aus dem Berufsleben ausscheiden und noch 20 oder gar 30 Jahre leben können. Wir erleben diese Menschen in unseren Seminaren als tatkräftig, engagiert und energiegeladen – sobald die Lebenskraft von traumatischen Blockaden befreit ist.
Die tiefere Weisheit in den eigenen Überlebensstrategien aufzuspüren und nachfolgenden Generationen anzubieten, damit sich die Selbstwahrnehmung zu einem gesunden Selbstwertgefühl und sogar zu „konstruktivem zivilem Ungehorsam“ entwickelt, ist ein zentrales Anliegen unserer Seminare. Wir wissen aus der Philosophischen Praxis und aus drei Jahren Glücksforschung: Älteren Menschen mit solchen Einsichten und Botschaften hören die Jüngeren zu.

Erinnerungen (be)schreiben
Zahlreiche Kriegskinder verspüren den Wunsch, ihre Erinnerungen aufzuschreiben, ihre eigene Geschichte schreibend zu begreifen. Dazu ermutigen wir mit einfühlsamen Übungen und persönlichem Rat. Das Heilsame und Befreiende des Schreibens, das viele bereits erlebt haben, klärt den Geist und schenkt oft auch den „Sprachlosen“ Worte.

Jährlich bieten wir im Rahmen unseres Projektes „Neue Bilder für ein friedvolles Alter“ mehrere Seminare und Schreibwerkstätten für Kriegskinder in verschiedenen Städten Deutschlands an. 

Die Seminare leiten:
Kathleen Battke M.A., Jg. 1959, Autorin, Biografin und Dozentin für kreatives Schreiben und
Thomas Bebiolka M.A., Jg. 1957, Praktischer Philosoph, Konfliktklärer und seit 20 Jahren auf spirituellen Wegen unterwegs.
Beide haben ein Gefühl der Heimatlosigkeit von ihren vertriebenen Eltern geerbt.

Hier ein Pdf mit Impressionen zum letzten Termin im November 2007 in der evangelischen Gemeinde Ratingen-Ost.

Anfang 2008 auch weitere Seminare im Raum Köln-Bonn, bitte nachfragen.

 

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